Ulf Rungenhagen

Schneeweißchen und Rosenrot

2009 | Ausstellung im Kultur Bahnhof Eller

Düsseldorf. Unverhofft kommt oft. Sogar bei den Gebrüdern Grimm. Das Bilderbuch der Designstudentin Zin Li ist da ein gutes Beispiel: Kaum hat sich der Bär als verwunschener Prinz entpuppt, droht Schneeweißchen und Rosenrot neues Ungemach.

In der güldenen Robe steht der Königssohn vor den Mädchen und leuchtet derart hell – dass sie leider nichts mehr sehen. „Und fortan waren die Kinder blind, die Strahlung hatte ihre Augen erfasst, und sie irrten im Wald umher, bis man sie vergaß.”

Moralisierend und verstaubt

Das haben Sie aber anders in Erinnerung? Eben. Und genau darum geht es Ulf Rungenhagen und seinen 60 FH-Studenten. Im vorigen Wintersemester hat der Professor im Bereich Design das Projekt „Bilderbücher” gestartet, jetzt sind die Zeichnungen im Kultur Bahnhof Eller zu sehen.

Rungenhagen ist Lehrer für Illustrationen. Und er ist ein Märchenkenner. Warum? Rungenhagen grinst. „Weil das Geschichten sind, die man gut illustrieren kann.” In drei Kursen ging‘s ihm zuletzt um eine zeitgemäße Gestaltung und Deutung. Grundlagen waren „Warum die Menschen arbeiten müssen”, eine afroamerikanische Öko-Fabel, und das Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot”. Letzteres eignet sich besonders gut, findet Rungenhagen, „weil es so moralisierend und verstaubt ist”: Brave Töchter einer alleinerziehenden Mutter retten verwunschenen Königssohn vor bösem Zwerg und finden am Ende ihre Märchenprinzen. Rungenhagen sieht aus, als würde er sich am liebsten schütteln. „Das sind doch alles Über-Gute. Die Geschichte muss man neu erzählen.”

Rund 70 Bilderbücher sind entstanden, einige liegen zur Ansicht und zum Verkauf auf Tischen aus. An den Wänden drumherum: über 1000 Texte und Bilder.

Bianca mit „voll den braven Zöpfen”

Darunter Bunt- und Bleistiftwerke, Collagen und sogar Zeichnungen aus Lebensmittelfarben, die ein wenig nach Kakao duften. Eine andere Studentin orientierte sich am „Book of Kells” und schuf eine Märchen-Bibel mit Bildern auf Japanpapier. Ein wunderschönes, aufwändiges Kunstwerk. Zum Teil illustrierten die jungen Leute die herkömmlichen Geschichten, zum Teil erzählen sie moderne Versionen. Und zum Teil ist zumindest das Grimm-Märchen nur noch im Ansatz zu erkennen.

Da entdeckt man die Kölner Partygirls Rosa („wilde Haare”) und Bianca („voll die braven Zöpfe”), die einem Geschäftsmann auf dem Weg zur Ein-Euro-Pizza am Rudolfplatz den Anzug versauen. Oder man trifft Mandy und Rosy, Töchter einer Hartz IV-Empfängerin, die auf dem Campingplatz „Kleine Sonne” leben. Wenig weiter sieht man Schneeweißchen und Rosenrot am Ende in einem vergitterten Wagen sitzen, „Zeit ihres Lebens von ihren Ehemännern geknechtet, wurden sie ihres Leben nicht mehr froh.”

Da geht es im Raum nebenan friedvoller zu. „Warum die Menschen arbeiten müssen” erzählt vom Himmel, der früher bis auf die Erde reichte – wer etwas brauchte, brach sich ein Stück ab. Irgendwann wurden die Menschen dreist und nahmen sich Riesenstücke, die ganze Landstriche ernährt hätten. So wurde der Himmel zur Strafe hinaufgezogen, und die Menschen mussten fortan arbeiten gehen. Rungenhagen zeigt Zeichnungen, die aussehen wie afrikanische Kunst.

Exemplarisch sind diese Arbeiten jedoch nicht. Die meisten kommen comicartig daher. Ein Trend, den der Professor auch bei aktuellen Kinderbüchern ausmacht. Dazu passt eine Grimm-Deutung hinter ihm an der Wand. „Zack bum peng, der Zwerg ist tot”, endet das Märchen. So kann man es natürlich auch sagen.